Gipfel von Johannesburg – Bilanzpressekonferenz

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26. Mai 2011

Die wichtigsten Verhandlungspunkte und die wichtigsten politischen Dossiers.

09.09.2002


 


Wichtigste Verhandlungspunkte:

1) Hierarchie zwischen Handel und Umwelt- und Sozialabkommen
2) Wasser
3) Energie
4) Rahmenregelwerk für die Umwelt- und Sozialverantvortung der Konzerne

Die Konferenz über Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg muss im Zusammenhang mit zwei anderen internationalen Konferenzen gesehen werden:
Die Konferenz in Doha (Herbst 2001) über Handelspolitik
Die Konferenz in Monterrey (Frühling 2002) über die Finanzierung der Entwicklung

In Johannisburg sollte neben der Armutsbekämpfung vor allem die Anliegen der Umwelt gestärkt werden. Dies ist nicht gelungen und deshalb gibt es wenig Anhaltspunkte warum die Konferenz als Erfolg gewertet werden kann.


I) Zur Rolle der grünen Abgeordneten

Claude Turmes
– Delegationsleiter der Grünen im EP (25 Personen Delegation Insbesondere Durchführung einer Konferenz von drei Tagen sowie einer Reihe konkreter Visiten oder Aktionen in Zusammenarbeit mit lokalen NGOs
u.a. Wasserprojekte in Alex-Township, Aids-Aktion in Soweto

– Mitglied der offiziellen Delegation des EP in Johannesburg Teilnahme an Briefings der Kommission und der Dänischen Ratspräsidentschaft; Meetings mit Delegationen anderer Parlamentarier (D, UK, Japan)

– Energiepolitischer Sprecher der Grünen im EP
Pressearbeit und Lobbyarbeit um Atomkraft aus der EU-Energie-Partnerschaft zu kippen
Strategietreffen mit der Anti-Atombewegung in Südafrika
Strategietreffen mit den Initiatoren von CLASP – Initiative für Mindeststandards bei Haushaltsgeräten, Motoren und Informationstechnologie


Robert Garcia
Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen die paralell zum Gipfel stattfanden


II) Die wichtigsten politischen Dossiers


1) Stellenwert von multilateralen Verträgen im Umweltbereich: EU-Position kritisch
Ausgang offen, eher ein Minus


Eine der zentralen Erwartungen an die Konferenz in Johannesburg war, dass die Hierarchie zwischen Umwelt, Gesundheits- und Sozialschutz gegenüber den Regeln des Handels gestärkt werden sollte.

Zwei Beispiele:
– Gentechnikbereich: Die USA und die Gentechkonzerne versuchen die europäische Gesetzgebung im Bereich Prüfung und Kennzeichnung von Gentechniklebensmittel dadurch zu unterlaufen, dass sie behaupten dass strengere Regeln in der EU dem Prinzip des freien Welthandels widersprechen.
 
– Tierschutzbereich: Die USA und einige Pharmakonzerne haben angekündigt gegen die neue Verschärfung der europäischen Tierschutzgesetzgebung (Verbot der Tierversuche bei Kosmetikprodukten) vor der WTO zu klagen.


Kurz vor der Konferenz wurde bekannt, dass EU Kommissar Lamy – der für überhaupt nicht für das Dossier „Jo’bg“ innerhalb der EU Kommission zuständig ist, im Juni 2002 mit dem Handelsbeauftragten der USA Zoelnik im Geheimen ein Papier ausgehandelt hatte, das folgende Punkte beinhaltete:
– die Exportsubvention für Agrarproduktionen in USA und EU werden nicht in Frage gestellt
– keine Konzessionen an die Entwicklungsländer in Sachen Marktöffnung
– WTO soll in der Hierarchie der Verträge oben bleiben


Die EU-Kommission hatte also bereits lange vor dem Gipfel in Jo’bg versucht der wichtigen Frage der Hierarchie zwischen den „Werten“ Handel, Umwelt , Gesundheit auszuweichen. Da jetzt in Jo’bg die Hierarchiefrage nicht zu Gunsten von Umwelt und Gesundheitschutz geklärt werden konnte, wird diese Frage nächstes Jahr in Cancoon, September 2003, bei der nächsten Minister-Runde der WTO weiterverhandelt werden, was wenig gutes verheisst.

2) Wasser: Drohende Privatisierung
Ein Plus/Minus

Die EU-Kommission und die Regierungen feiern die Entscheidungen im Bereich Wasserversorgung und Management von Abwässern – Reduzierung bis 2015 der Hälfte der Menschen die keinen Zugang zum Trinkwasser haben – als den grössten Durchbruch in Jo’bg.

Neben den allgemeinen Überlegungen zu der entwicklungspolitischen Dimension dieser Entscheidung muss das Dossier Wasserversorgung auch im Zusammenhang mit den Bestrebungen um die Privatisierung der Wasserwirtschaft gesehen werden.

Die grossen Wasserkonzerne der EU – Vivendi, Ondeo, RWE – und Kräfte innerhalb der EU-Kommission versuchen die Partnerschaft die die EU insbesonders mit den ACP Ländern eingehen will, dazu zu benutzen eine forcierte Privatisierung der Wasserwirtschaft durchzusetzen. Dies steht auch in Verbindung mit den laufenden GATS (General Agreements on Trade and Services) Verhandlungen in Genf wo die EU zur Zeit mit anderen Ländern über die Liberalisierung von weiteren Teilen der Wirtschaft (Energie, Wasser,…) verhandelt.

3) Umwelt- und Sozialverträglichkeit von Konzernen: US-Blockade überwunden
Ein Plus/Minus

In der globalisierten Weltwirtschaft haben die Auslandsinvestitionen der Konzerne die Transfers im Bereich der Entwicklungshilfe längst überholt. Auch die nationale Verschärfung der Gesetze im Umwelt- und Gesundheitsbereich wird von den Konzernen durch eine Art Erpressungspolitik (Androhung und Umsetzung von Verlagerungen der Produktionsstätten) unterlaufen.
Deshalb braucht es dringend eines international bindenden Vertrages über die Pflichten der Konzerne im Bereich Transparenz und Einhaltung von Umwelt, Gesundheits- und Sozialnormen.


In Jo’bg wurde dieses Ziel zum Teil erreicht. In dem Schlusstext gibt es einen Textlaut, der eine zukünftige Aufnahme von Gesprächen zu einem solchen Regelwerk erlaubt.


Diese Textpassage wurde bis zum Schluss konsequent von der US-Delegation bekämpft. Nachdem am Montag die USA im zuständigen Sachausschuss der Konferenz nicht verhindern konnten, dass ihr Wortlaut – lediglich Referenz auf bereits bestehende Massnahmen und damit Ausschluss der Aufnahme von Verhandlungen für ein international gültiges Regelwerk – abgewehrt wurde, versuchten sie am Dienstag in der Nacht durch einen Verfahrenstrick den erreichten Verhandlungsstand wieder rückgängig zu machen.


Erneut waren die EU-Kommission und die Dänische Regierung wenig hilfreich – und die Ethiopische Delegation brachte mit Unterstützung von Norwegen schliesslich den Versuch der USA die Grundlage für die Verhandlungen über Mindest Umwelt- und Sozialnormen für Konzerne zu Fall.


4) Energie: Kein konsequenter Einsatz für die Erneuerbaren Energien
Ein klares Minus


Im Energiebereich waren grosse Erwartungen und Hoffnungen auf konkrete Verhandlungsergebnisse in Jo’bg gesetzt worden.

Nachdem während der ersten Woche die EU das 15% Ziel für Erneuerbaren Energien in den Mittelpunkt ihrer Verhandlungsstrategie gestellt hatte, kam es in der Nacht von Samstag zum Sonntag zur entscheidenden internen EU-Abstimmung über den Stellenwert des 15% Ziels bei den weiteren Verhandlungen.

In der Sitzung in der Nacht von Samstag auf Sonntag abend wurden die Vertreter der Regierungen überrascht, als die EU-Kommission und die Dänische Ratspräsidentschaft einen neuen Kompromistext vorlegten. Dieser Kompromistext im Bereich „trade and finance“ war so schwach, dass daraufhin vier Länder – D, B, UK und Schweden – forderten dass der Textteil über den Bereich „trade and finance“ nur annehmbar wäre, wenn im Gegenzug das 15% Ziel für Erneuerbare Energien verbindlich in den Text eingeschrieben werden könnte. In diesem für die EU-Verhandlungsführung entscheidenden Moment versäumten die Vertreter der Luxemburger Regierung die vier fortschrittlichsten Ländern zu unterstützen.

Der dänische Vorsitz führte die Verhandlungen mit einem Mandat in dem das Erreichen einer klaren Zielvorgabe für Erneuerbare Energien nicht mehr als „conditio sine qua non“ für die Zustimmung der EU galt.
Richtig ist, dass Staatssekretär Berger und Minister Goerens sich an anderen Orten der Konferenz sich für die Zielsetzung der 15% Erneuerbare ausgesprochen hatten. Im entscheidenden Moment nutzte aber Luxemburg nicht die Möglichkeit,  sich für eine klare Zielsetzung für die erneuerbaren Energien im EU-Verhandlungsmandat einzusetzen.


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