Gentechnik : So nicht Frau Reding !

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26. Mai 2011

Frau Reding, ihre arrogante und provokante Reaktion auf die luxemburgischen GMO-Kritiker welche es Anfang der Woche sogar auf Seite 1 einer Luxemburger Tageszeitung schaffte ist beschämend. Die ziemlich persönliche Attacke auf den Gesundheitsminister sowie das Abstreifen jeglicher Verantwortung Ihrerseits, schaden sowohl Ihrem politischen Ansehen, als auch – und vor allem – der Sache selbst.

Offener Brief an EU Kommissarin Viviane Reding


Frau Reding, ihre arrogante und provokante Reaktion auf die luxemburgischen GMO-Kritiker welche es Anfang der Woche sogar auf Seite 1 einer Luxemburger Tageszeitung schaffte ist beschämend. Die ziemlich persönliche Attacke auf den Gesundheitsminister sowie das Abstreifen jeglicher Verantwortung Ihrerseits, schaden sowohl Ihrem politischen Ansehen, als auch – und vor allem – der Sache selbst.


Fakt ist, dass sie, Frau Reding, bei der Europawahl 2009 als eine CSV Kandidatin im Rahmen des christlich-sozialen Wahlprogramms antraten und auch gewählt wurden. Haben sie vergessen, dass auch das CSV Wahlprogramm sich skeptisch gegenüber der Gentechnik äußert und sich für GMO-freie Zonen ausspricht ?


Fakt ist, dass es in Luxemburg sowohl in der Bevölkerung als auch in der politischen Klasse – zumindest beim Anbau von GMOs – einen Konsens gibt um Luxemburg gentechnikfrei zu halten. Das Parlament hat dies nun – unter Zustimmung der Regierung – in Form zweier von déi gréng eingebrachten Motionen auch an Ihre Adresse eindeutig festgehalten! (Die Texte finden sie im Anhang).


Fakt ist, dass die Mehrheit der EU Bevölkerung wie auch der EU Mitgliedstaaten einem Anbau von GMOs seit Jahren ablehnend gegenüberstehen. Das erklärt die Tatsache, dass die EU Kommission sich bisher nicht bei der Aufhebung der nationalen Anbauverbote – wie sie in Luxemburg und fünf weiteren EU Staaten für MON810 bestehen – durchsetzen konnte.


Fakt ist, dass die EU Kommission bei der Zulassungsprozedur seit Jahren jegliche Einwände und Bedenken ignoriert und de facto immer den kommerziellen Interessen Vorrang gibt. Sämtliche Einwände von Konsumentenschützern, unabhängigen Wissenschaftlern oder auch nationalen Instituten und Regierungen wurden und werden systematisch ohne ernsthafte Prüfung abgeblockt. Und Sie, Frau Reding, sind seit 1999 ein Mitglied dieser Kommission !


Fakt ist, dass die wissenschaftlichen Fragen in Bezug auf die „Amflora“-Kartoffel, die drei ebenfalls zugelassenen GMO-Maissorten und viele andere zum Anbau, als Lebensmittel oder als Futter zugelassene GMOs keineswegs geklärt sind. Die Risiken und eventuelle Nebenwirkungen der GMOs auf Umwelt, Gesundheit und Landwirtschaft sind wissenschaftlich und wirtschaftlich so wenig abschätzbar, dass keine Versicherungsfirma bereit ist, die möglichen Schäden des Gentechnik-Anbaus zu versichern – übrigens genau wie bei der Atomkraft.


Fakt ist, dass sie als neue Vizepräsidentin eigentlich wissen müssten, dass sowohl die wissenschaftliche GMO-Expertise der EU Agentur für Lebensmittelsicherheit  (EFSA) lückenhaft ist, als auch ihre Unabhängigkeit nicht garantiert ist und ihre Prozeduren als intransparent und unangemessen gelten. Die EFSA hat sogar selbst zugegeben, dass ihr keine unabhängige und umfassende Abschätzung möglich ist. Dennoch basieren Sie und ihre Kommissionskollegen sich weiterhin auf Gutachten welche u.a. lediglich auf kurzfristigen 90-Tage Studien basieren, Kreuzwirkungen   ignorieren und sich nur auf Informationen beschränken die von den Firmen selbst stammen! Eine alle Zweifel ausräumende Analyse sieht definitiv anders aus…


Fakt ist vor allem, dass unabhängige Studien sehr wohl Wirkungen von GMOs auf die Gesundheit von Lebewesen nachweisen, genau wie auch negative Auswirkungen auf die Umwelt. Zudem ist der Nutzen der meisten GMOs – außer für die GMO-Konzerne – weder nachgewiesen noch klar. Erfahrungen beim großflächigen Anbau, auch in nicht europäischen Ländern – beweisen, dass die GMO-Gene, bzw. Resistenzen, sich schnell in der Natur verbreiten, die Biodiversität und die Bodenqualität zurückgehen, der Pestizidverbrauch wie auch die Preise des OGM-Saatguts schnell wieder steigen.


Fakt ist natürlich auch, dass Sie als Mitglied der EU Kommission alle getroffenen Entscheidungen im Nachhinein kollegial mittragen müssen. Bei noch nicht getroffenen Entscheidungen haben sie aber sehr wohl Möglichkeiten zur Einflussnahme auf anstehende Diskussionen, Entscheidungen und die passenden   Prozeduren, und in Ihrer neuen Funktion als Vize-Präsidentin umso mehr.


Fakt ist, dass Sie die Fachgebiete aller anderen EU Kommissare mit verfolgen und einer ihrer Kabinettsmitglieder auch für Gentechnik zuständig ist. Sie sind somit frühzeitig informiert und könnten verhandeln. Das Mindeste was man von Ihnen hätte erwarten können, war der Versuch ihre Kommissionskollegen davon zu überzeugen, die Amflora- und alle weiteren Zulassungen als richtigen Diskussionspunkt im Kolleg zu behandeln und nicht einfach ohne Diskussion über eine für unstrittige Punkte gedachte schriftliche Prozedur zu genehmigen.


Fakt ist, dass die EU Umweltminister die Kommission 2008 einstimmig (!) aufgefordert haben die Risikoabschätzung und Zulassungsprozedur endlich zu verbessern. Die Kommission will für diesen Sommer 2010 eine neue Prozedur ausarbeiten und den Mitgliedstaaten selbst die Entscheidung überlassen ob dort GMOs angebaut werden dürfen oder nicht. Der Vorschlag für diese Renationalisierung stammt von der niederländischen Regierung welche OGM resolut befürwortet. Die Logik des Vorschlags ist denn auch wiederum die falsche. Entweder OGMs sind schädlich für Mensch und/oder Natur, oder sie sind es nicht?


Anstatt im OGM Bereich de facto ständig Wirtschaftsinteressen zu verteidigen, sollte die EU Kommission endlich dafür sorgen, dass die „wissenschaftlichen“ Stellungnahmen der EFSA auf die sich die Kommission bei ihren Entscheidungen beruft, wirklich unabhängig sind, die langfristige Dimension sowie sämtliche wichtigen Faktoren – auch sozio-ökonomische – mit einbeziehen und sie die Bezeichnung „wissenschaftlich“ endlich verdienen. Nicht nur beim Anbau, sondern auch bei Lebensmitteln und Tierfutter !


In der Praxis würde diese Renationalisierung zu einer totalen Unübersichtlichkeit, zu einer schnelleren Zulassung auf EU Ebene und einem verstärkten Anbau von einer Vielzahl neuer GMOs in den pro-Ländern führen. Massive grenzüberschreitende Kontaminationen wären die Folge, eine saubere konventionelle oder biologische  Landwirtschaft würde mittelfristig extrem aufwendig und langfristig unmöglich. Für kleine Länder wie Luxemburg – die keine Insel sind – ist das die schlechteste mögliche Lösung!.


Dank Ihrer ziemlich polemischen und provozierenden Antwort auf die Reaktion des luxemburgischen Gesundheitsministers nach der Amflora-Zulassung, sowie Ihrer Antwort auf Bürgeranfragen im Vorfeld der Zulassung, haben Sie sich, Frau Reding,  nun eindeutig als absolut unkritische GMO-Befürworterin geoutet und lassen jeglichen Respekt vor der offiziellen Position Luxemburgs in Sachen Gentechnik vermissen.


Henri Kox
Abgeordneter von déi gréng


Motion de Henri Kox

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