Barrierefreies Luxemburg

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10. August 2011

Am 15. November 2010 hat die Europäische Kommission ihre Pläne für die Behindertenpolitik der Jahre 2010 bis 2020 vorgelegt.
Autorin: Josée Lorsché

Hiermit gab sie sich eine neue Strategie, um Barrieren aus dem Weg zu räumen und Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilnahme zu ermöglichen. Auch in Luxemburg wurde es höchste Zeit, behinderten Menschen fundamentale Menschenrechte zu gewährleisten: Am 13.Juli 2011 hat das luxemburgische Parlament dem Ratifizierungsgesetz der UN Behindertenrechtskonvention aus dem Jahre 2006 unisono zugestimmt.

Mit diesem Beschluss steht unsere Regierung nun nicht nur vor der großen Herausforderung sondern auch vor der Verpflichtung, gleichwertige Lebensbedingungen und bessere Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Kurzfristig muss sie einen Aktionsplan auf den Tisch legen, der mindestens ebenso konkret gefasst ist wie die Strategie der EU-Kommission. Dies sowohl durch die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse beeinträchtigter Menschen bei der Gestaltung von Rahmenbedingungen und Programmen als auch durch spezielle Maßnahmen zur Förderung betroffener Menschen. Darüber hinaus geht es um die Bewusstseinsbildung einer Gesellschaft, die das volle Ausmaß der Belange behinderter Menschen genauso unterschätzt wie deren Zahl.

Für 80 Millionen Europäer liegen die für die meisten Menschen als eine Selbstverständlichkeit angesehenen Alltagsbeschäftigungen nämlich nicht im Bereich des Möglichen. Einen Beruf ausüben, mit dem Bus zum Einkaufen fahren, Bekannte besuchen, Kultur- oder Sportveranstaltungen beiwohnen und vieles andere mehr bleibt behinderten Personen oft verwehrt.

Es ist unbestreitbar, dass die Umsetzung der UN-Konvention nur mit einem klaren Paradigmenwechsel zu einem befriedigenden Ergebnis führen kann. In erster Linie besteht dieser darin, den entmündigenden Gedanken der Fürsorge durch denjenigen der Selbstbestimmung zu ersetzen. Auch gilt es, Konflikte zwischen unserer bestehenden Gesetzgebung und der UN-Konvention systematisch offen zu legen und zu beheben. Die Situation von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich nicht von selbst, genauso wenig wie deren Zugang zu Informationsquellen, Transportmitteln und öffentlichen Gebäuden.

Die grundsätzliche Frage, ob unser Gesundheitssystem vollständig auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung ausgerichtet ist, kann zudem kaum mit ja beantwortet werden, da unser bestehendes System des Nachteilausgleiches längst nicht alle Nachteile ausgleicht.

Unsere Regierung ist also gefordert. Die Ausarbeitung eines Aktionsplans in enger Zusammenarbeit mit den Behindertenorganisationen sowie die Umsetzung seiner konkreten Maßnahmen würden nicht nur einen erheblichen gesellschaftlichen Fortschritt bedeuten, sondern wären darüber hinaus auch von wirtschaftlichem Nutzen. Laut einer Erhebung der europäischen Kommission wird der potenzielle Jahresumsatz des EU Marktes für Technik und Dienstleistungen im Behindertenbereich schon heute auf 30 Milliarden Euro geschätzt. Mit der konsequenten Schaffung eines barrierefreien Luxemburgs könnte unser Staat eine Vorreiterrolle in der europäischen Behindertenpolitik einnehmen und damit sowohl einen ethisch-rechtlichen als auch einen wirtschaftlichen Meilenstein legen.

Josée Lorsché
Abgeordnete

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