3 G: Europa versucht, den UMTS- Zug wieder auf die Schienen zu bringen

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26. Mai 2011

„In Luxemburg wäre die Regierung gut beraten, einen Gesamtplan auszuarbeiten, der bei der Aufstellung der Antennen sowohl die Gesundheitsvorsorge als auch den technologischen Aspekt der Flächenabdeckung berücksichtigt. Diese Aufgabe darf nicht allein den Anbietern überlassen werden.“


13.2.2003


Lange scheint es her zu sein: 1998 wurde mit einer Europäischen Richtlinie die „harmonisierte Einführung des UMTS“ – auch „3G“, Dritte Generation der Informationstechnologien genannt – beschlossen. UMTS-Handys als Nachfolger der 2G-Handytechnologie erweitern mobiles Telefonieren um Dienstleistungen, die bisher eigentlich Computern vorbehalten waren: Versendung von Daten und Bildern sowie Internetzugang – und dies alles bei erheblich schnellerer Datenübertragung.


Was danach folgte, war scheinbar grenzenlose Euphorie. Eine Welt, in der über UMTS jeder mit jedem multimedial vernetzt würde, schien greifbar und wurde von einer Reihe hoch bezahlter Berater in Fachzeitschriften und Boulevardblättern in schillernden Farben gemalt. Analysten von Finanzinstituten träumten mit und auch die Finanzminister wollten beim „Goldrausch“ UMTS nicht leer ausgehen und versuchten, über Lizenzversteigerungen die teilweise leeren Staatskassen zu füllen.


Die Ernüchterung erfolgte zuerst an der Börse, dann bei der Etablierung der hochgelobten Technologie. Die UMTS-Geräte werden zumindest am Anfang wesentlich teurer sein als erwartet. Die Prototypen der UMTS-kompatiblem Internetangebote tun sich schwer, kommerzielle und private Kunden an relativ teure Abonnements zu binden. Hinzu kommt, dass mit GPRS und dem DOCOMO-Standard attraktive Weiterentwicklungen der zweiten Handygeneration auf den Markt kamen (sogenannte 2.5-Generation), die einige Vorteile der neuen Generation, wie etwa das Versenden von Bildern, schon vorwegnehmen.


Auf Druck der Französischen Regierung in Paris, wo France Telecom am Rande des Bankrotts steht, ist die „Rettung des UMTS“ jetzt zur Chefsache erklärt worden und soll auf dem EU-Frühjahrsgipfel derStaatschefs im März zur Sprache kommen.


Ruf nach Subventionen


Die wirtschaftlich angeschlagenen europäischen Telekomriesen, die nach dem selbstverschuldeten finanziellen Desaster zunächst Massenentlassungen vornahmen, rufen nun nach staatlicher Hilfe. Das Europaparlament und insbesonders die Grünen im EP wehren sich allerdings gegen eine bedingungslose Vergemeinschaftung von unternehmerischen Verlusten. „Die Krise in der Telekommunikationsbranche ist nicht zuletzt von ihren eigenen Managern mit zu verantworten. Es ist nicht am Steuerzahler oder Verbraucher, die Fehleinschätzungen der Analysten der Telekom- und Finanzbranche auszubaden“, so Claude Turmes, der für die Grünen im Industrieausschuss des EP das Dossier bearbeitet. „Finanzielle Hilfestellung der Regierungen muss an klare Gegenleistungen gebunden sein. Wir haben deshalb das Prinzip des „service universel“ im Bericht des EP verankert und auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass auch bei der Einführung des UMTS sozialen Randgruppen nicht vergessen werden dürfen und die Spaltung der Gesellschaft in Menschen mit und ohne Anschluss – der „digital divide“ – vermieden wird.


Die Grünen drängten insbesondere darauf, einen entscheidenden Schwachpunkt der ersten Direktive von 1998 zu beseitigen: Diese verlangte von den UMTS-Lizenzinhabern,  jeweils auch ihr eigenes Antennennetz aufzubauen, was sowohl ökonomisch, als auch ökologisch sinnlos ist: Die unnötige Bereitstellung paralleler Netze bedarf immenser Investitionen und verschandelt daneben durch eine Vervielfachung der Handymasten die Landschaft: Die Direktive sah für grössere Mitgliedsländer mindestens 6 Lizenzen, für kleinere 4 vor – was 4 bis 16 mal mehr Antennenmasten für UMTS notwendig machte.


„Ein funktionierender Wettbewerb entsteht aber nicht durch die Verdopplung der Netze“ so Claude Turmes.  „Im liberalisierten Strommarkt etwa werden nicht neue Hochspannungsleitungen gebaut, sondern sichergestellt, dass ein diskriminierungsfreier Netzzugang besteht. Dasselbe sollte auch für die Telekommunikation gelten: Es kann nicht darum gehen, dass jeder Anbieter anfängt, unkontrolliert Antennen aufzustellen, sondern es muss Aufgabe der Regierungen sein, eine durchdachte Strategie für Aufbau und Verwaltung eines flächendeckenden UMTS -Netzes zu erstellen. Wettbewerber konkurrieren dann nicht mit Hardware, sondern über Software und Dienstleistungen miteinander.


Blockade in Luxemburg


Die luxemburger Regierung hatte bei der Umsetzung der ersten Direktive wohl auch, weil das Staatsbudget seinerzeit im Überschuss war, auf die Versteigerung der Lizenzen verzichtet. Dies kommt jetzt den in Luxemburg operierenden Firmen zugute. Allerdings ist in Luxemburg der Aufbau des UMTS-Netzes inzwischen komplett zum Erliegen gekommen. Da die Regierung wie auch in anderen Bereichen keine voraussehende Landesplanung betrieb, war es Aufgabe der Gerichte, den wilden Aufbau von Antennen zu stoppen [1].  Die Regierung will nun diese Woche einen Ausweg aus der Krise suchen.


Vor dem Hintergrund immer zahlreicher werdender Berichte über Gesundheitschäden durch elektromagnetische Strahlungen von Antennenmasten und Handys muss beim Aufbau des UMTS-Netzes mit äusserster Vorsicht vorgegangen werden. „Die Aussagen von Ärzten und Baubiologen sind beängstigend. Wenn Baubiologen auf Grund der empirischen Befunde vor Ort eine Reduzierung der Normen auf 0,001 Volt/Meter fordern und die EU lediglich 42 Volt/meter vorschlägt, dann gibt es ein Problem [2]. Wir müssen die ersten Anzeichen aus wissenschaftlichen Berichten ernstnehmen.“ Das Beispiel Asbest zeigt deutlich, dass das bei Gesundheitsvorsorge nicht nur Wirtschaftsinteressen im Vordergrund stehen dürfen.


„In Luxemburg wäre die Regierung gut beraten, einen Gesamtplan auszuarbeiten, der bei der Aufstellung der Antennen sowohl den Aspekt der Gesundheitsvorsorge als auch den technologischen Aspekt der Flächenabdeckung berücksichtigt. Diese Aufgabe aber darf nicht allein den Anbietern überlassen werden.“


Schutz von Jugendlichen und Kindern


Gewarnt wird insbesonders vor der intensiven Benutzung von Handys durch Kinder und Jugendliche. In der Wachstumphase des Menschen ist zum einen das Immunsystem schwächer, zum anderen sind Zellteilungen häufiger – und gerade auf letztere haben elektro-magnetische Strahlungen nachweislich Einfluss.


„Die EU und die Regierungen müssen Eltern und Schulen helfen, den Schutz der Kinder und Jugendlichen Ernst zu nehmen“. Ähnlich wie in Grossbritannien müsste Informationsmaterial erarbeitet werden, das über den Umgang mit dem Handy aufklärt. Ein weiteres ungelöstes Problem ist der Schutz Heranwachsender vor gewaltverherrlichenden und pronografischen Webseiten – auf die dann auch mit UMTS-Handys zugegriffen werden könnte.


Für weitere Rückfragen kontaktieren Sie bitte Claude Turmes unter 00352-091504290.


*****


[1] Die Aufstellung ausserhalb der Bauperimeter wurde durch ein Urteil, eingereicht von der Gemeinde Beckerich, untersagt und seit dem Urteil des „tribunal administratif“ zu einem Fall in Berdorf ist auch das Aufstellen von Antennen innerhalb des Bauperimeters gestoppt.


[2] Siehe „Freiburger Appell“, ein von mittlerweile über tausend Ärzten aus ganz Europa unterzeichneter Aufruf, der der EU-Kommission im März überreicht werden soll. In Luxemburg wurde die Norm auf 3 Volt/m festgelegt, was eine der strengsten in Europa ist und dennoch um den Faktor 100 zu hoch ist.

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